Lebensmittelhandwerk in der Krise

Die Bedeutung des Lebensmittelhandwerks

Wir Grüne setzen uns für den Erhalt und die Stärkung des Lebensmittelhandwerks ein, denn es ist – wie die bäuerliche Landwirtschaft – systemrelevant. Regionale handwerkliche Verarbeitungsstrukturen sind wichtig für ein unabhängiges, nachhaltiges Ernährungssystem, lebendige ländliche Räume und widerstandsfähige Ökosysteme. Corona-Pandemie, Klimakrise und nicht zuletzt Putins Angriffskrieg machen deutlich, wie wichtig dezentrale Strukturen und regionale Wertschöpfungsketten für den Erhalt einer krisensicheren Nahversorgung sind.

Zum Lebensmittelhandwerk zählen folgende Gewerke (Anzahl in D 2022 – Quelle: ZDH): Bäckereien: 9.965, Fleischereien/Metzgereien: 12.586; Konditoreien: 3.398; Handelsmühlen: 185[1]; Brauereien: 1.312; Speiseeishersteller: 531

Die Bäckereien im Dorfzentrum oder im Kiez sind dazu wichtige soziale Treffpunkte und bedeutender Teil kultureller Identität. Nicht umsonst wird die deutsche Brotkultur seit 2014 mit ca. 3.200 eingetragenen Brotsorten zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO gezählt. Die Innovationskraft und das Know-how der handwerklichen Betriebe im Lebensmittelbereich sind wichtig für den Wandel in der Land- und Ernährungswirtschaft. Diese Betriebe besitzen seit Generationen umfangreiches Wissen über die handwerkliche Verarbeitung – zum Beispiel wie man mit nur wenigen Zutaten und ohne Einsatz industrieller Inputs (Backvormischungen, komplexe Backmittel, technische Enzyme) die gesündesten und leckersten Brote herstellen kann. Daneben steht die industrielle Herstellung von Brot und Backwaren, die mit ihren hohen Stückzahlen und vollautomatisierten Produktionslinien i.d.R. auf standardisierte Rohstoffe und viele Zusatz- und Verarbeitungshilfsstoffe angewiesen ist. Das Fleischerhandwerk kann wiederum alle Teile des Tieres verwerten und agiert dadurch nachhaltig und ressourcenschonend. Es besitzt individuelles Wissen um besondere Verarbeitungsmethoden, agiert regional und behält stets den Kontakt zu den Landwirt*innen vor Ort.

In der letzten Wahlperiode hat sich die Grüne Bundestagsfraktion sehr für das regionale Lebensmittelhandwerk eingesetzt:

Im Koalitionsvertrag ist das Lebensmittelhandwerk nicht explizit genannt, aber mit der vereinbarten Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten und der Ernährungsstrategie, mit dem Ziel, den Anteil regionaler und ökologischer Erzeugnisse entsprechend unserer Ausbauziele zu erhöhen, wollen wir hier ansetzen. Ohne das Lebensmittelhandwerk ist unser Ziel, bis 2030 auf 30 Prozent Ökolandbau umzustellen, nicht erreichbar; genauso wie das Ziel, den Anteil regionaler und ökologischer Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung zu erhöhen. 

Die Herausforderungen des Lebensmittelhandwerks

Das Lebensmittelhandwerk ist (wie die Landwirtschaft) seit vielen Jahren von einem starken Strukturwandel hin zu weniger und dafür größeren Betrieben betroffen. Zwischen 2010 und 2020 haben 30 Prozent aller Handwerksbäckereien und 28 Prozent der Fleischereien ihr Geschäft geschlossen. 1951 hatten wir noch 18.935 Mühlen in Deutschland. Inzwischen sind es nur noch 550, von denen 185 mehr als 1.000 t im Jahr vermahlen.

Das liegt vor allem an der Konkurrenz zur Verarbeitungsindustrie, aber auch Bürokratiebelastung, Fachkräftemangel und Nachfolgeprobleme strapazieren die Betriebe.

Geplante Maßnahmen:

  • Bürokratieentlastungsgesetz IV
  • Erhöhung des Anteils regionaler und ökologischer Erzeugnisse in der Gemeinschaftsverpflegung
  • Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten
  • 30 % Ökolandbau bis zum Jahr 2030 (eine interministerielle Arbeitsgruppe entwickelt derzeit eine entsprechende Strategie bezogen auf die gesamte Wertschöpfungskette; Verarbeitung zentraler Teil)
  • In der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) werden bereits Investitionen in die Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse gefördert; der Einsatz der Mittel soll flexibilisiert und verbessert werden

Von der Energiekrise ist das Lebensmittelhandwerk besonders stark getroffen

Das Lebensmittelhandwerk ist energieintensiv. Die hohen Kostensteigerungen bei Energie und den Rohstoffen können nicht voll weitergegeben werden, weil die Kunden aufgrund der hohen Inflation auf die Discounter ausweichen. Für viele Betriebe geht es jetzt um ihre wirtschaftliche Existenz, manche stehen nach jahrzehntelanger Arbeit und Tradition in der Familie vor der Betriebsaufgabe.

Aktuelle Maßnahmen:

  • Einführung einer KMU-Stufe im Energiekostendämpfungsprogramm (derzeit in Abstimmung)
  • KfW-Sonderprogramm UBR 2022
  • Strompreisbremse

Weitere Infos

Pressemitteilung Cem Özdemir:
https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/123-energiepreisdaempfung.html?fbclid=IwAR0RJ1Axxip6tONGNQBHEcduwCfUjwQGPRosmZEncMNGUguREe92SNnx7ME

Pressemitteilungen Anne Monika Spallek:
Vielfalt stärken – Vom Acker bis zum Teller“; Die Bundestagsabgeordnete der BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN, Dr. Anne Monika Spallek, fordert umgehende Unterstützung des Bäckerei- und Fleischereihandwerks in der Energiekrise
https://www.agrarzeitung.de/nachrichten/politik/interview-mit-anne-monika-spallek-ich-kaempfe-fuer-dezentrale-strukturen-102609

Fraktionshomepage:
https://www.gruene-bundestag.de/themen/wirtschaft/wirtschaftshilfen-fuer-kleine-und-mittlere-unternehmen


[1] Handelsmühle = Mühlen, die mehr als 1.000 t jährlich vermahlen