Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Woche hat bei uns im Münsterland ein Landwirt seine reifen Erdbeeren einfach abgemäht und untergepflügt. „Hier soll in der nächsten Woche schon Mais wachsen“, sagte er, „damit der Acker in diesem Jahr noch Geld bringt.“ Für 500 Gramm Erdbeeren würde er vom Einzelhandel nur 1,01 Euro bekommen. Damit zahle er drauf. Der Handel kauft aktuell billig Erdbeeren in Spanien. Angesichts der hohen Energie-, Sprit-, Dünge- und Lohnkosten können Deutschlands Erdbeerbauern mit den spanischen einfach nicht konkurrieren.
Immer wieder sehen wir Lebensmittel, die vernichtet werden, die zu klein, zu krumm, nicht abzusetzen sind. Das ist in normalen Zeiten schon schlimm, aber in Zeiten von Hungerkrisen völlig irre.
Und wie verzweifelt müssen Bäuerinnen und Bauern sein, um so zu handeln! Viele geben einfach leise auf. Aktuell verlieren wir im Obstbau jährlich zig Betriebe und Anbauflächen, und die Selbstversorgungsquote sinkt bedrohlich auf unter 20 Prozent.
Das Höfesterben schreitet derzeit überall massiv voran. Dabei sind gerade die kleineren Strukturen von fundamentaler Bedeutung für unsere Dörfer, unsere Unabhängigkeit und unsere Artenvielfalt.
Aber jahrzehntelang hat die Politik – gerade die CDU/CSU – immer wieder die Landwirtschaft nur auf Wachstum getrimmt, auf Kosten von Natur.
Dazu kam die Flächenförderung, die GAP als Wachstumsbeschleuniger. Und gerade der Obstbau, der nur kleine Flächen braucht, ist dabei der größte Verlierer. Gut ist, dass die Krisenhilfe der EU jetzt aufgestockt wurde. Mit den 120 Millionen Euro können jetzt die betroffenen Betriebe schnell unterstützt werden.
Aber Landwirtschaftspolitik muss nicht die Hausaufgaben von Sozialpolitik oder fairer Steuerpolitik übernehmen. Landwirtschaftspolitik ist nicht dafür zuständig, gesunde regionale Lebensmittel zu Billigstpreisen zu produzieren, sondern Politik muss die Verbraucher in die Lage versetzen, auch gesunde nachhaltige Lebensmittel einkaufen zu können.
Und da handelt die Bundesregierung genau richtig, indem sie mit den langfristigen und kurzfristigen Maßnahmen der Entlastungspakete die Bürgerinnen und Bürger entastet und den 12-Euro-Mindestlohn einführt: Energiepreispauschale, Kinderbonus, Erhöhung des Grundfreibetrages, Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrags und, und, und.
Ich könnte noch vieles aufzählen. Richtig wäre jetzt auch die Reduzierung der Mehrwertsteuer, wie es Cem Özdemir und auch viele Sozialverbände vorgeschlagen haben.
Für unsere Versorgungssicherheit und die unserer Enkel ist jetzt aber die sozial-ökologische Transformation der Landwirtschaft wichtiger denn je.
Es ist jetzt unsere Aufgabe, diesen seit Jahrzehnten völlig in die falsche Richtung gesteuerten Tanker wieder auf den richtigen Kurs zu bringen.
Erste Weichen sind in diesem Haushalt gestellt: 1 Milliarde Euro für den Umbau der Tierhaltung, Aufstockung Bundesprogramm Ökologischer Landbau und, und, und.
Fakt ist: Das Höfesterben steht in direktem Zusammenhang mit der Klimakrise und dem Artensterben. Und diese Krisen müssen wir alle zusammen denken, sonst ist es zu spät.
Herzlichen Dank.