Regionalen Obstbau stärken – Betriebe retten

Die Ernährungswende braucht den regionalen Obstbau; es gilt jetzt, die bestehenden Betriebe zu erhalten

Berlin, den 25.11.2022 – Dr. Anne Monika Spallek begrüßt Direktvermarktungsinitiativen wie die des Obstbauern Christoph Drees aus Coesfeld-Lette, der sein Obst wöchentlich bis ins Ruhrgebiet fährt. „Ich weiß noch aus meiner eigenen Kindheit in Bochum, dass uns Direktvermarkter aus dem Kreis Coesfeld mit ihren fahrbaren Hofläden Obst, Gemüse, Kartoffeln, aber auch Marmelade, Eier und Fleisch bis an die Tür brachten. Und heute wird meine über achtzigjährige Mutter durch Familie Drees beliefert und sie freut sich jedes Mal sehr, wenn er kommt“, erzählt die Bundestagsabgeordnete. Solche Formen der Direktvermarktung seien wichtige Strukturen, um eine Bindung der Kunden an die regionale Obstproduktion aufzubauen und zu erhalten. Über drei Generationen wählt Familie Drees bereits diese Vertriebsform.

Christoph Drees bewirtschaftet in Coesfeld auf fünf Hektar Apfelplantagen. Auf seinem Hof gedeihen aber auch Erdbeeren, Himbeeren, Pflaumen, Mirabellen und Birnen. Die verkauft er im hofeigenen Laden. Es sei schwer, bei den lokalen Supermarktketten sein Obst zu vermarkten, beklagt der gelernte Gärtnermeister mit Fachrichtung Obstbau. Dort würde teilweise mit Obst aus dem Ausland geworben, erwähnt Stefan Kraege, erster Vorsitzender des Landesverbandes Obstbau Westfalen-Lippe.

Christoph Drees bedauert, auch bei den regionalen Kindergärten, Schulen und öffentlichen Kantinen werde noch viel zu häufig ausländisches Obst regionalen Früchten vorgezogen. „Wir wollen das ändern“, erklärt Dr. Anne Monika Spallek. „Wir wollen Anreize dafür schaffen, dass mehr regionale Produkte in den Öffentlichen Kantinen und in der Gemeinschaftsverpflegung genutzt werden. Der Bund fördert derzeit schon Bio in der Außer-Haus-Verpflegung mit bis zu 35.000 Euro je Kantine.“

Auf 7000 Hektar wird in ganz NRW Obstbau betrieben, so die Informationen des Landesverbandes Obstbau Westfalen-Lippe. Die Besonderheit des Obstbaus in NRW ist seine große Nähe zu Bevölkerungszentren, vor allem im Rhein-Ruhrgebiet. Deshalb liegt dort der Anteil an der Direktvermarktung im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ hoch.

Flächenmäßig am bedeutsamsten ist in NRW die Erdbeere mit rund 3400 Hektar. Der Großteil davon steht im Regierungsbezirk Köln mit 1300 Hektar. Kernobst wird in NRW auf insgesamt 2100 Hektar angebaut. Im Kreis Coesfeld, in dem auch der Betrieb Drees liegt, werden auf rund 160 Hektar Obstanlagen kultiviert. Gut 100 Hektar entfallen dabei auf die Erdbeere und 40 Hektar auf das Kernobst.

Dem regionalen Obstbau sei es während der Coronapandemie gut gegangen, viele Menschen hätten regionale Produkte gekauft, sagt Stefan Kraege. Kurz nach Beginn des Ukrainekrieges seien die Umsätze zwar wieder eingebrochen, aber noch befände man sich auf einem höheren Niveau als in den Zeiten vor Corona.

Allerdings hätten so Bernd Möllers, Obstbauberater und Geschäftsführer des Landesverbandes Obstbau-Westfalen-Lippe 2021 sieben Betriebe geschlossen, das sei mehr als im Durchschnitt in den Jahren davor. Der Mindestlohn und neue Pflanzenschutzvorschriften spielten dabei eine Rolle. Glyphosat dürfe zum Beispiel in Wasserschutzgebieten nicht mehr verwendet werden. „Stattdessen müssen wir mechanische Geräte zur Unkrautbekämpfung einsetzen. Die Geräte sind aber häufig noch nicht ausgereift, viele werden nicht gefördert“, so Simon Weilandt, Obstbauer und 2. Vorsitzender des Landesverbandes Obstbau -Lippe. Und Mitarbeiter müssten diese Geräte durch die Plantagen fahren, das koste ein Vielfaches mehr als der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, bedauert er. Durch all diese Stellgrößen würde das regionale Obst deutlich teurer als die Früchte aus dem Ausland.

Dr. Anne  Monika Spallek will sich für die Förderung von wesentlich mehr Maschinen zur Beikrautregulierung einsetzen. Auch die Förderung von Forschungsprojekten im Obstanbau will die Berichterstatterin für Obst im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft vorantreiben. Es müsse möglich sein, dass Geräte zur Beikrautregulierung irgendwann auch autonom fahren und so die Kosten im Obstanbau senken. Auch für das Einsammeln der Früchte laufen Forschungsvorhaben. „Wir müssen alles prüfen, wie wir die lokalen Obstbauern unterstützen können, damit sie gut durch die Krise kommen.“ Nachzudenken sei z.B. auch über eine Biodiversitätsprämie, da der Obstbau so wesentlich sei für die Artenvielfalt, meint die Abgeordnete. „Hoffnung habe ich, dass auch Agri-Photovoltaikanlagen im Obst- und Gemüsebau eine Möglichkeit für zusätzliche Einnahmengenerierung ist.“ Unter PV werden wesentlich weniger Pflanzenschutzmittel benötigt, so wurde ihr immer wieder berichtet. Zudem schützt es die Pflanzen vor zu starker Sonneneinstrahlung und Starkregen. Ab 1. Januar ist Agri-PV in die Regelförderung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) überführt und wird mit einer zusätzlichen Technologieprämie von 1,2 Cent gefördert.

Seit 2010 hat sich die Zahl der Obstbauern, die in NRW ökologischen Baumobstanbau betreiben, verdoppelt. 90 Betriebe wirtschaften derzeit ökologisch gegenüber 300 Betrieben, die weiter auf den konventionellen Anbau setzen.

Auf ihrem Rundgang über das Hofgelände besichtigt Dr. Anne Monika Spallek auch die Kühlanlagen. Die Äpfel lagern bei 2 Grad, Birnen bei -0,5 Grad, erklärt Christoph Drees. Die Anlagen laufen Tag und Nacht. Um die Äpfel bis zum Frühsommer frisch zu halten, entstehen hohe Energiekosten, die sich jetzt mit dem Ukrainekrieg verdreifacht hätten, meint der Unternehmer. Auch Stefan Kraege, erster Vorsitzender des Landesverbandes Obstbau in Westfalen-Lippe erzählt, dass er nun auf seinem Pflanzenvermehrungsbetrieb ein Vielfaches der gewohnten Energiekosten tragen müsse. Diesen Preis müsse er weitergeben. Viele Betriebe bringe die Kostenexplosion an den Rand der Betriebsaufgabe, erklärt Bernd Möllers von der Landwirtschaftskammer NRW. Diese Betriebe schafften noch das Jahr und gäben dann im nächsten Jahr auf, so seine Prognose. Dr. Anne Monika Spallek erläuterte die von der Bundesregierung geplanten und bereits umgesetzten Entlastungsmaßnahmen: Die Bundesregierung übernimmt als Soforthilfe den Dezember-Abschlag für Gas und Wärme bei Haushalten und KMU und bringt die Gaspreis-und Strompreisbremse auf den Weg.

Andere wie Simon Weilandt, Obstbauer aus Salzkotten, setzen auf Unabhängigkeit von den fossilen Energien und planen eine Agri-PV Anlage. „Wir warten auf die Genehmigung“, meint er. Dr. Anne Monika Spallek will ihn, sobald die Anlage steht, auf seinem Betrieb besuchen. „Agri-PV über Sonderkulturen wird eine große Chance für die Betriebe sein, denn mehr Doppelnutzung geht nicht: Auf wenig Fläche haben wir gleichzeitig Energieerzeugung, eine vor Hitze und Starkregen geschützte Obstproduktion, Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und Wassereinsparung durch eine intelligente Wassernutzung (auffangen vom Dach und zurückspeisen in die Kultur). Auch die PV-Module werden immer besser und intelligenter – lassen immer mehr Licht durch, können gezielt gesteuert werden und je nach Versorgungslage verschatten oder Sonne durchlassen. Außerdem könnten Folien gegen PV ausgetauscht werden, das ist auch eine Aufwertung im Landschaftsbild und erzeugt weniger Plastikmüll. Für den Obstbau wird sich durch Agri-PV eine gute Zukunftsperspektive auch für immer mehr Sorten eröffnen, davon bin ich überzeugt. Ich hoffe, dass jetzt auch die Behörden die Genehmigungen unbürokratisch und schnell erteilen, damit es hier losgehen kann. Wie es gehen kann, zeigt die Verwaltung im Kreis Coesfeld, denn auch ein Betrieb im Kreis Coesfeld plant bereits eine erste Anlage.“