Billerbeck. Es sind 79 Kilogramm Lebensmittel, die pro Person jedes Jahr vernichtet werden. Wie in
etwa dieser Berg aussieht, das ist im Nachhaltigkeitszentrum Billerbeck zu sehen. Anne Monika
Spallek konnte bei ihrem Besuch vor Ort noch andere unglaubliche Fakten bieten: „Fast 60 Prozent
der weggeschmissenen Lebensmittel kommen aus dem Privathaushalt. Insgesamt werden europaweit
150 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet. Das ist mehr, als wir in die EU importieren.“
Die Grüne Bundestagsabgeordnete war am Dienstagnachmittag zur Premiere des neuen Formats
„meet & greet“ in die Lange Straße gekommen. Diese neue Veranstaltungsreihe, entwickelt vom
Nachhaltigkeitszentrum Billerbeck, ist dazu gedacht, Bürgerinnen und Schülerinnen mit
Abgeordneten aus dem Bundestag, Landtag und EU-Parlament für einen konstruktiven Austausch
zusammen zu bringen. Beim ersten Aufschlag war die Resonanz in jedem Fall schon prima. Es dauerte
nicht lange bis sich ein interessierter reger Austausch mit den Gästen entwickelte.
„Wir werden in unserem Ansinnen bestens unterstützt von Rat und Verwaltung, Ehrenamt, Schule,
Unternehmern und Menschen, die sich hier mit ihrem Interesse einbringen“, erklärte Oliver
Wischerhoff und skizzierte dabei, wie sich der Verein aus einem Projekt der Anne-FrankGesamtschule so positiv entwickelte. „Grundlage all dessen sind die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN.“
Als eine von vielen Ursachen für die Lebensmittelverschwendung wurde das
Mindesthaltbarkeitsdatum benannt. Beweist die Realität doch, dass Joghurt oftmals auch drei
Monate danach noch verzehrbar sind. „Das unterliegt jedoch dem EU-Recht und befindet sich derzeit
in der Überprüfung“, erklärte die promovierte Mathematikerin. „Wichtig wäre, dass wir als erstes alle
haltbaren Lebensmittel wie Tee, Reis oder Honig von einem Mindesthaltbarkeitsdatum ausnehmen.
Es ist doch unsinnig, dass für lange Zeit haltbare Lebensmittel mit einem solchen Datum versehen
werden. Dafür setzen wir uns ein.“ Die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels und das
Kartellrecht, die Monopolkommission und das AgrarOLkG (Agrarorganisationen-und-LieferkettenGesetz), die Solidarische Landwirtschaft, neue und alternative Proteinquellen, Flächenstilllegungen,
neue Weideprämien und wie wichtig es ist, regionale Wertschöpfungsketten und den Absatz von
bioregionalen Lebensmitteln in der Außer-Haus-Verpflegung zu stärken, wurden im Gespräch
diskutiert.
Im Münsterland ist da noch viel Luft nach oben. Während in der Stadt Münster die Nachfrage nach
Bio-Lebensmitteln vergleichsweise hoch ist, liegt der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen
im Münsterland nur bei rund zwei Prozent. Erfreulich ist es daher, dass das Münsterland
Ökomodellregion ist und an der Erhöhung des regionalen Bio-Anteils in der Außer-Haus-Gastronomie
und an dem Aufbau von Bio-Wertschöpfungsketten aktiv gearbeitet wird. Ein Fakt, aus dem sich für
die Sozialwissenschaftler und Pädagogen an der AFG, Oliver Wischerhoff und Klaus Klein, gleich eine
neue Projektidee ergab: den Aufbau einer Datenbank mit Betrieben, die besonders nachhaltig und
tiergerecht erzeugte regionale Produkte in der Region verkaufen, damit bekannter wird, wo
nachhaltig erzeugte Lebensmittel im Münsterland zu beziehen sind.
Nach ihren „High- und Lowlights“ im Bundestag befragt, erklärte die Politikerin, dass es Spaß mache
und motiviere, selbst etwas umsetzen zu können. (Förder-)Programme zu konzipieren und diese auch
durchzusetzen. „Low“ sei, dass für eine Abgeordnete am Ende doch nur relativ wenig umsetzbar sei.
Letztendlich funktioniere der Bundestag hierarchisch, in den Ministerien würde viel entschieden und
die Prozesse dauerten oftmals sehr, sehr lange.
„Wir können nicht allein die Welt retten. Das geht nur als Gesellschaft gemeinsam. Jeder kann etwas
dafür tun. Für sich und somit auch für andere. Jeder Schritt zählt“, so die Bundestagsabgeordnete, die
sich für die gute Resonanz und die vielen interessierten Fragen bedankte.