Lüdinghausen. 102 Meter lang war es, das Fracht- und Binnenschiff MS-Wissenschaft, das Ende Juli in der Burgerstadt vor Anker lag, bevor es über Hamm und Dortmund weiter Kurs auf Köln, Koblenz und Aschaffenburg nahm. Die spannend inszenierte Ausstellung im Unterdeck lockte viele interessierte Gäste an, die sich gerne mit dem Thema Wissenschaft, Freiheit und Gleichheit auseinandersetzten.
Die Schiffe mit denen Mohsen Sahel Neshin Abkenar beruflich die Weltmeere bereiste, waren etwa dreimal so lang. Die nationalen Öltanker mit denen der Iraner rund um die Welt – Afrika, Indien, Singapore, China und Europa sowieso – unterwegs war, wussten mit stolzen Ausmaßen von 340 Metern Länge zu trumpfen. Als ein riesiges Containerschiff 2021 im Suezkanal quer stand und es blockierte, waren „wir mit unserem Öltanker dahinter in der Warteschleife“, erklärte der 36-Jährige.
In Lüdinghausen an Bord der MS-Wissenschaft trafen die grüne Bundestagsabgeordnete Dr. Anne Monika Spallek und einige Grüne aus dem Ortsverband und Wahlkreis den Iraner und seine Frau Rohangiz Mirzayi Fashtekhan und deren gemeinsamen achtjährigen Sohn Rayan. Seit sieben Monaten lebt die iranische Familie in Deutschland, seit acht Wochen in Lüdinghausen. Ihr Aufenthalt in Deutschland ist keine Urlaubsreise. Ihre Reise in ein freiheitliches demokratisches Land war nicht freiwillig. Es waren politische Gründe, die die junge Familie veranlasste, ihr Heimatland zu verlassen. „Wer in irgendeiner Form Kritik übt, an der Regierung, dem Religionsführer und den Strukturen, wird sofort in den Fokus genommen und hat Repressalien zu erwarten“, machte der Iraner zurückhaltend deutlich. Und diese hat er auch körperlich schon zu spüren bekommen und sich deshalb schweren Herzens für den Weg, raus aus dem Iran entschieden.
Momentan bewohnen die Familie eine Einraumwohnung von etwa 20 Quadratmetern in den Notunterkünften neben Poco, am Ortrand von Lüdinghausen. Wie viele andere, die dort leben und gerne eigenständig wären, suchen sie eine Wohnung. „80 Quadratmeter, 650 Euro, inklusive Nebenkosten plus Heizung“, erklärte Anke Brandmeier, Ortsverbands-Sprecherin der Grünen, die die iranische Familie begleitet und unterstützt. Mit ihrer Hilfe ist es schon gelungen, dass Mohsen Sahel Neshin sich mit seinem technischen Know-How bei der Freiwilligen Feuerwehr einbringen kann. Auch können beide eine Hospitation im St. Antoniushaus Seniorenheim machen und der Sohn demnächst zur Schule gehen. „Sie brauchen Kontakte, müssen unter Menschen und Deutsch lernen“, macht Anke Brandmeier deutlich. Ein Zurück in die alte Heimat wird es in naher Zukunft für die Familie wohl nicht geben.
„Die Unterstützung von Ehrenamtlichen, hier insbesondere von Anke, ist wunderbar. Vorbildlich ist auch, wie die junge Familie sich selber einbringt, damit es weitergeht“, lobte die Bundestagabgeordnete. „Seitens der Politik versuchen wir, gute Weichen zu stellen und das Erlernen der Sprache zu fördern.“