„Industrie und Handwerk sind zwei unterschiedliche Branchen“

Bericht Online-Themenabend am 14.11.2022.

Am 14.11.2022 tauschten sich Vertreter*innen aus Praxis, Wissenschaft und Politik zur regionalen Wertschöpfungskette Milch, organisiert von Anne Monika Spallek, MdB, aus. In der Veranstaltungsreihe „Regionale Wertschöpfung stärken – aber wie?“ war dies der dritte Online-Themenabend. Die vorherigen Abende behandelten die Themen Getreide/Brot und Fleisch.

Das Grußwort zum Thema Milch lieferte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Dr. Ophelia Nick. Die Corona-Krise und die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hätten deutlich gemacht, dass wir grundsätzlich mehr regionale Erzeugung und Wertschöpfung brauchen, um die Widerstandsfähigkeit unserer Wertschöpfungsketten sicherzustellen. Laut Nick legt das BMEL einen Fokus auf die Stärkung der regionalen Verarbeitung und Vermarktung, z.B. durch Fördermöglichkeiten oder das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL). Außerdem müsse dafür gesorgt werden, dass das Tierwohl in der Milchwirtschaft einen größeren Stellenwert einnimmt.

Die erste Referentin, Janine Knuck vom Thünen-Institut, berichtete über die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Regionale Vermarktung von Milch und Milcherzeugnissen“ (vollständiger Forschungsbericht hier). Zur Regionalvermarktung von Milchprodukten gibt es kaum wissenschaftliche Studien; hinzu kommt, dass es keine offiziellen Zahlen zu Hofmolkereien oder deren Vermarktungsvolumen gibt. Frau Knuck ging auf die Besonderheiten des Produktes Milch ein und identifizierte den Betriebsleiter selbst als wichtigsten Einflussfaktor für den Erfolg einer Hofmolkerei oder Direktvermarktung. An die Politik gab sie die Empfehlung, die Markttransparenz zu verbessern, bestehende Förderprogramme besser bekannt zu machen und vor allem Beratungsstellen zu stärken.

Vom Verband der handwerklichen Milchverarbeitung e.V. (VHM) nahm Marc Albrecht-Seidel teil und referierte u.a. über die historische Konsolidierung der Branche. Er betonte die entstandene Kluft zwischen Handwerk und Industrie; dies seien zwei völlig unterschiedliche Branchen. So steuere in der Industrie die Automatisierung die Prozesse, nicht wie in Hofmolkereien das Personal. Doch das Handwerk kehre zurück: seit dem Gründungsjahr 1992 steige die Mitgliederzahl des Verbandes stetig. Er forderte die Politik auf, sich um die handwerkliche Ausbildung zu kümmern, vor allem mit Bildungsgutscheinen/-prämien und die Forschung zu fördern. Weiterhin müssten die amtlichen Veterinäre weitergebildet werden, um eine sachgemäße Kontrolle der Veterinärämter sicherzustellen.

Anschließend berichteten zwei Praktiker, Hans Möller von De Öko Melkburen und Sven Kück von Kück’s Hoff, über ihre Betriebe. Hans Möller hat 2009 mit zwei Partnern eine kleine Molkerei übernommen, um von den großen, fusionierten Molkereien unabhängig zu werden. De Öko Melkburen haben 2022 den Bundeswettbewerb Ökologische Landwirtschaft gewonnen. Er beklagte, dass der gesellschaftliche Stellenwert von Milch abgenommen habe, da sie von der Industrie zum reinen Rohstoff heruntergestuft wurde, bei dem es nur um Nährstoffe und Fettgehalt geht; stattdessen müsse es wieder mehr Wertschätzung für das Naturprodukt Milch und die Milchkühe geben.

Sven Kück erzählte von seinem Hof, der direkt im Gnarrenburger Hochmoor liegt. Er vertreibt in seinem Hofladen Moorkartoffeln und den selbsthergestellten Moorkäse, aber auch andere regionale Produkte von seinen Partnern. Zusammen mit dem Thünen-Institut und der DMK startete er auf seinem Hof ein Modellprojekt zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen: „Net Zero Farming“. Durch Drainage soll ein möglichst gleichbleibender Wasserstand sichergestellt werden, was zu weniger Trockenlegung und damit zu weniger Ausstoß von CO2, Methan und Lachgas führt. Ihm mache allerdings die fehlende Planungssicherheit beim Thema Moorschutz Sorgen. Aus dem Publikum kamen Hinweise zum Aktionsplan Natürlicher Klimaschutz, zur kürzlich beschlossenen Moorschutzstrategie und zur Wasserschutzstrategie.

In der anschließenden Debatte erzählten einige Landwirte mit Direktvermarktung und der Betreiber einer mobilen Käserei von Verbesserungspotenzialen, die sie für den Aufbau und Betrieb ihrer Unternehmen sahen. Frau Spallek nahm diesen Input gerne mit in ihre politische Arbeit in Berlin und bat die Teilnehmer, in Kontakt zu bleiben, um gemeinsam konkrete Lösungen zu erarbeiten.