Rede zur weltweiten Nahrungsmittelversorgung und Ukrainehilfen am 19.05.2022

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeden Tag, wenn wir die Nachrichten verfolgen, sehen wir unfassbares Leid: Familien weinen um ihre Kinder, um Angehörige, um ihre Heimat. Viele wissen nicht, wann und ob sie wieder zu essen bekommen – in der Ukraine, in den Kriegsgebieten, aber auch weltweit.

Wir sehen brennende ukrainische Weizenfelder, zerstörte Lagerhallen, bombardierte Transportwege. Genauso sehen wir aber auch in Indien, im zweitgrößten Anbauland für Weizen, unfassbare Hitzen und Überschwemmungen. Und wir sehen Menschen, die sich am Horn von Afrika auf den Weg in eine neue Heimat machen, weil sie in ihrem Land aufgrund von Dürren sonst verhungern würden. Gleichzeitig sehen wir Börsenpreise für Weizen, die auf den höchsten Stand der Geschichte schnellen.

All diese Bilder sind kaum zu ertragen, und sie lähmen fast meinen Verstand. Aber wir dürfen uns nicht lähmen lassen und einseitig Schnellschüsse machen. Wir müssen alle Krisen zusammendenken – das ist jetzt unsere Verantwortung –, das heißt auch frei von allen fossilen Energieträgern.

Wir müssen jetzt den Mut haben, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen, wie es schon Immanuel Kant anmahnte. Sie aber, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, schlagen mit der kompletten Aufhebung der Pflicht zur 4-prozentigen Stilllegung eine Rolle rückwärts vor – als gäbe es keine Biodiversitäts- und keine Klimakrise.

Sie wollen ernsthaft alte Brachen wieder umbrechen, was wiederum einen erheblichen CO2 -Ausstoß nach sich ziehen würde? Und Sie wollen ernsthaft auf ertragsschwacher Biodiversität massenhaft teuren Dünger verwenden, damit dort minimal Weizen wächst? Und Sie wollen ernsthaft die für die Biodiversität so wichtigen Hecken und Landschaftselemente roden lassen, den Boden beackern und dann Weizen anbauen? Nein, das würde nicht viel helfen, sondern mehr schaden. Darin waren sich die Experten in der Anhörung auch einig.

Es gibt ja klügere Lösungen, und die gehen wir bereits an; da bin ich unsererem Minister auch sehr, sehr dankbar. Wir wollen den Einsatz von Nahrungs- und Futtermitteln für Biokraftstoffe schnell senken, bis 2030 auf null. Bereits 2023 sollen so 1,1 Millionen Hektar Anbauflächen frei werden. Das entspricht 4,2 Millionen Tonnen Weizen.

Wir haben das Fruchtwechselgebot um ein Jahr verschoben, was wieder mehrere Millionen Tonnen Weizen möglich macht. Und vor allem leiten wir mit der Ernährungsstrategie und dem Umbau der Tierhaltung Langfristmaßnahmen ein; denn wenn wir weniger Fleisch essen, brauchen wir viel weniger Futteranbauflächen. Dazu ist es noch erheblich gesünder.

In Ihrem Antrag lese ich darüber gar nichts. Fakt ist: Es gab doch vor der Ukrainekrise schon Hungernde: 800 Millionen! Lassen Sie uns doch besser jetzt gemeinsam an klugen, integrierten und differenzierten Lösungen arbeiten, die die Resilienzfähigkeit der Agrarsysteme insgesamt und auch die Selbstversorgungsquote in den Regionen erhöhen. Dazu lade ich Sie ein.